Wolfgang Meisenheimer

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"Architektur und menschlicher Körper"

Dokumentation eines Seminars zu Fragen der Architekturtheorie veranstaltet im Lehrgebiet Grundlagen des Entwerfens (Prof.Dr.-Ing. Wolfgang Meisenheimer) durch den Fachbereich Architektur der Fachhochschule Düsseldorf im SS 1982 im Schloß Gnadenthal (Kleve)

Inhalt:

Wolfgang MeisenheimerEinführung in den Themenkreis
Hans Günter GoslarAusgewählte Fragen zu Form und Funktion des menschlichen Körpers aus anatomischer Sicht
Walter DmochEntwicklungspsychologische Determinanten des Raum- Erlebens
Günter BaumDie menschliche Gestalt in historischen Architektur- Entwürfen
Günther KühbacherKörpermaße des Menschen - ihr Einfluß auf Baugesetze
Burkhard GrashornVorschläge für figurative Architektur
Werner RuhnauDie (fehlende) Erziehung der Architekten zur Sinnlichkeit
Klaus PfefferGeschichte der Proportionslehren
Tebbe Harms Kleen Der Mensch im Bühnenraum
Klaus Rinke Körper und Raum
Günter RothErfahrungen mit Architektur und Plastik (zur experimentellen Arbeit im Fach "Grundlagen des Entwerfens bei der FH Düsseldorf)

Referenten- Verzeichnis:

Dr. Bernd Kirchner, Dipl.-Biologe, Ruhr-Universität Bochum, Prof. Dr. Max J. Kobbert, Abteilung für Kunsterzieher Münster der Staatl. Kunstakademie Düsseldorf, Alfred Hoffstadt, Dipl.-Ing. Architekt, Stefan Dafeld, Dipl.-Ing. Architekt, Rüdiger Fabry, WERKSTATT, Düsseldorf, Jutta Sikatzki, WERKSTATT, Düsseldorf, Simone Junge, WERKSTATT, Düsseldorf, Prof. Wilfrid Jochims, Musikhochschule Köln, lehrt "Gesang" und "Phoniatrie", Prof. Hans Georg Lenzen, FHD, Fb Design, lehrt "Gestaltungslehre" und "Illustration", Prof. Thomas Dawo, FHD, lehrt "Gestaltungslehre", Prof. Dr. Manfred Speidel, T.H. Aachen, Fb Architektur, Kunsthistorisches Institut, lehrt "Architektur-Theorie".

Einführung in den Themenkreis:

 

1. Die biologische Anlage des menschlichen Körpers im historischen Verständnis

Im mythischen, vorwissenschaftlichen Verständnis des menschlichen Körpers bei den frühen europäischen Denkern wird die Leib-Welt nicht als Gegenstand für sich betrachtet, sie wird vielmehr in Kosmos-Bezüge eingebettet vorgestellt. So ordnet zum Beispiel Empedokles (483 - 424 v. Chr.), der Schüler des Parmenides, Wunderarzt und Erlösungslehrer in Agrigent, vier Elemente den fünf Sinnen zu: das Feuer dem Sehen (= Feuer in uns), die (dünne, obere) Luft dem Hören (= Luft in uns), das Wasser dem Schmecken (= Wasser in uns), die(dichte, untere) Luft dem Riechen (= Luft in uns) und die Erde dem Tasten (= Erde in uns). Die Sinne werden also nicht nur als funktionierende Werkzeuge verstanden; sie stellen vielmehr selbst Welt-Elemente dar, sie setzen (mythisch) die Welt. Nach Empedokles ist nur Erkenntnis von Gleichem durch Gleiches möglich, zum Beispiel Feuer-Erkennen durch das "Feuer in uns" 1) Erinnern solche Thesen nicht - besonders da sie in hymnischer Sprache vorgetragen sind - an die Welt-Anschauung Goethes oder Hölderlins?

Im Weltenentstehungsmodell des Empedokles, das nicht mehr EIN Ursprungsprinzip annimmt, sondern periodisch wechselnde Aktionen von Gegen-Kräften (Harmonie /Disharmonie, Liebe /Haß, Ordnung /Unordnung, Vereinigung /Aufspaltung), formen diese sowohl den Leib mit seinen Sinnen als auch die Struktur des Kosmos in einem "Kreislauf der Wandlungen". So können wir die älteste uns bekannte Lehre von den Sinnen als eine Lehre vom Sinn dieser Sinne verstehen. Es ist übrigens bemerkenswert, daß in diesem frühen Körper-Welt-Mythos die fünf Sinne im Prinzip gleichwertig erscheinen.

Wenig später fomuliert Demokritos (460 - 371 v. Chr.), der Begründer des atomistischen Weltmodells, eine sehr skeptische Sinnnen-Lehre. Er gesteht den fünf Sinnen unseres Körpers nur unzureichende ("dunkle") Erkenntnisfähigkeit zu. Die eigentliche ("helle") Erkenntnis leistet das Denken, das denkende Unterscheiden. 2) Er erklärt: wir blieben der Wahrnehmungswelt prinzipiell fern, sie sei unwirklich, mit der Begründung: die Substanz der die Welt konstituierenden Atome sei ja nicht sinnlicher Art. Da das Auge wesentlich zum Unterscheidungsvermögen beiträgt, wird es zum führenden Sinnesorgan und - für viele Jahrhunderte - zum Modell des Wahrnehmungsapparates überhaupt. Die Skepsis des Demokritos gegenüber der Zuverlässigkeit der Sinne wird zum Beispiel deutlich, wenn er rät, der Geist solle sich möglichst unabhängig von den Sinnen machen, er solle sich "seine eigenen Freuden" schaffen.

Das gesamte Mittelalter blieb von diesen mythischen Denkmodellen abhängig, indem es den Körper mit seinen Sinnen der Welt mit ihren Elementen zuordnete. In allegorischen Darstellungen findet man merkwürdigerweise die Sinne auch bestimmten Tierarten gleichgestellt: das Gesicht dem Luchs, das Gehör dem Maulwurf oder Eber, den Geschmack dem Affen, den Geruch dem Geier, den Tastsinn der Spinne.

Bei der kulturellen Entwicklung des Körper-Verständnisses im Mittelalter gewinnt die Skepsis gegenüber der Wahrnehmungswelt, die sich bei Demokritos andeutete, immer stärkeres Gewicht. Es ist so, als versuche das Mittelalter, das Überwältigtwerden durch die Sinne mit allen Mitteln zu verhindern. Das Schwergewicht aller kulturellen Erziehung liegt auf der Erzeugung von INNENWELT: Vorstellungswelt erzeugt durch "inneres Sehen" einerseits und Vorstellungswelt erzeugt durch Sprache andererseits. Die innere Vorstellung ist besonders an Bilder gebunden; die aber produziert das Auge. Man kann die Augen schließen und sieht mit dem "inneren Auge" Vorstellungsbilder, die beliebig wachzurufen und in neuen Denkzusammenhängen zu verknüpfen sind. So gelingt die immer stärkere Ablösung einer inneren Welt von der spontanen Wahrnehmungswelt der Sinne, die vergleichsweise flüchtig, vergänglich und emotionsgeladen ist. Dazu kommt die Benennung des Wahrgenommenen durch die Sprache, die die Dinge den Ideen näher bringt und auf diese Weise verfügbar macht. Sogar Gefühle können nachträglich und im voraus erzeugt und damit von der augenblichlich erlebten Situation losgelöst werden! Solche Abrufbarkeit des Erlebten und des Gedachten aus der Erinnerung wird zu einem erstrangigen Machtmittel. Besonders die mönchisch-christliche Kultur hängt an diesem Vermögen der Erzeugung von Innenwelt, an der Verlagerung des Lebens auf Darstellung von Leben. Zugleich tritt eine zunehmende Verketzerung sinnlich-körperlicher Aktivitäten ein. Bei "Verzicht-Haltungen" (Gebet, Andacht, Prozession) wird die Vorstellung wichtiger als die Wahrnehmung, der Kopf wichtiger als der übrige Körper. Das verraten viele mittelalterliche Portraits deutlich.

Mit wieviel Neugier und Freude betrachten dagegen die Maler der Ranaissance menschliche Körper als funktionierende schöne Ganzheiten! Neben der mythischen Zuordnung der Sinne zu Elementen und Tieren tritt die funktionale Zuordnung von Sinnen (und Organgestalten) zu bestimmten Aktivitäten des Körpers. Gerade durch seine Darstellung der Form-Funktions-Zusammenhänge der Körperorgane ist Leonardo da Vinci (1452 - 1519) zum Begründer der beschreibenden Naturwissenschaft geworden. Mit geradezu triumphaler Sicherheit vertraut er der Unfehlbarkeit der Erfahrung 3). Sinnesaktivitäten verbinden nach seiner Lehre die äußere Welt mit der inneren Vorstellung. Erste Modelle für den Transport der Wahrnehmungsinformationen in bestimmte Ventrikeln des Gehirns und ihre Verarbeitung zu Bildern der Einbildungskraft (sinnliche Vorstellungen) im vorderen Hirn, zu Vergleichen und Urteilen des Intellekts im mittleren Hirn sowie zu Eriinnerungen im hinteren Hirn werden probeweise dargestellt. In die Sinn-Dimensionen der Körper-Konzepte der Renaissance gehen also - neben der mythischen Kosmos-Analogie, die erhalten bleibt - Schönheit als eine eigene Qualität des Körpers und besonders die Handlungsbezogenheit seiner Organe ein. Besonders dieses Interesse am "Geräte-Charakter" des menschlichen Körpers führt zur Erfindung von Werkzeugen und Maschinen, die als "Fortsetzung" der Sinnesorgange gedacht sind: Man sieht weiter, schwimmt, fliegt, bewegt sich schneller fort usw. ...Die Lust an der Bewegung genießt man in gesellschaftlich stilisierten Formen: erste Opern entstehen in Florenz, Ballette in Venedig. C.J. Burckhardt berichtet über die Darstellung "lebender Figuren" - das sind schöne menschliche Körper - als allegorische Dekoration bei fürstlichen Festen 4).

In der Bewertung der natürlichen Triebe und Sinneskräfte herrschen dann aber jahrhundertelang eher die Skeptiker im Sinne des Demokritos vor. Descartes traut der Zuverlässigkeit sinnlicher Erkenntnis sowenig, daß ihm nur der Akt des Denkens selbst als sicher gilt. Hegel - auf dem Höhepunkt der deutschen idealistischen Philosophie - akzeptiert in seiner Ästhetik zwar Auge und Ohr, klammert aber den übrigen Körper ausdrücklich aus der Erkenntnis des Kunst-Schönen aus: Kunstwerke (die sinnlichsten Geistes-Dinge!) richten sich für ihn ausschließlich (über Auge und Ohr) an den Geist 5).

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit der Machtenfaltung der empirischen Naturwissenschaften und der industriellen Technik, gewinnen philosophische Theorien an Bedeutung, die den Körper und die Vielfalt seiner Sinne als Erkenntnis-Instrumente hochschätzen. Denise Diderot betont, daß besonders ästhetische Erlebnisse NICHT durch das "logische" Denken, sondern durch die Vorstellungskraft ausgelöst würden. David Hume geht in der Hochschätzung der spontanen, intuitiven Sinnlichkeit so weit, daß er erklärt, Erkenntnis sei (nichts anderes als) Assoziation sinnlicher Erfahrungen 6).

Aber trotz der weitgehenden Erforschung der triebhaft-sinnlichen Fähigkeit unseres Körpers, etwa durch die moderne empirische Psychologie und die psychosomatische Medizin, ist das kulturelle Rollenspiel dieser Fähigkeiten für unser Verständnis problematisch und wissenschaftlich kaum erfaßt. So ist die Aufmerksamkeit der Architekten zum Beispiel besonders auf die Bedingungen der Raumerfahrungen gerichtet - weil davon die Bedingungen der Raum-Darstellung abhänig sind. Welche Rolle spielen dabei zum Beispiel neben Sehen und Hören die sogenannten "niederen" Sinne Riechen, Schmecken, Tasten, Grundorientierung des Körpers usw.?

 

2. Die biologische Anlage des menschlichen Körpers als Bezugssystem für den "Erlebnisraum"

Untersuchungen über den menschlichen Körper können sich von drei Seiten ihrem Gegenstand annähern. Sie können primär nach der Form fragen (Gestalt, Maße, Proportionen, Ausdruck etc.), sie können von seiner Stofflichkeit ausgehen (Aufbau, Materialien, chemisch/physikalische Zusammensetzung), oder sie können zunächst nach seiner Funktionalität fragen (Reizbarkeit, Aktionsfähigkeit etc.). Und sie können schließlich diese Gesichtspunkte aufeinander beziehen: welche Form ist für welche Funktionen geeignet, welches Aufbausystem liegt welcher Form zugrunde? etc. ...

Solche Fragen, die gleichsam "von außen" an das Phaenomen gestellt werden, unterscheiden sich grundlegend von der Untersuchung des "Körper-Schemas". Diese fragt "von innen" nach unserem subjektiven Körpergefühl. Dazu gehört die Erforschung gefühlter Körpergrenzen und Orientierungspunkte in unserem Körper, denen unterschiedliche subjektive, teilweise auch kulturell fixierte Bedeutungen beigemessen werden. Welche Rolle spielen zum Beispiel Kopf, Herz oder Bauch für unser Selbstbewußtsein? Oder wie nutzt ein Sänger die Vorstellung von seinem Zwerchfell für seine Arbeit?

Von besonderer Wichtigkeit für uns als Umwelt-Macher sind nun alle Informationen über die verschiedenen Arten der Reizbarkeit unseres Körpers, die Raum-Erlebnisse erzeugen. "Erlebnisraum" wird dabei selbstverständlich nicht als gedachter oder gemachter Raum verstanden (wie die Räume der Mathematik, der Physik oder der Kunst), sondern als unmittelbar phänomenal gegebener Raum der Wahrnehmung und des spontanen Erlebnisses. Um den Zugang zu diesem Forschungsgebiet zu eröffnen, möchte ich mich auf wenige Andeutungen beschränken, die zunächst die Vorgänge der Reizaufnahme und dann die ihrer Verarbeitung zu Erlebnissen betreffen.

Die Sinnesphysiologie erklärt uns die verschiedenen Organe als Zellgewebe, die auf spezifische Reizbarkeiten spezialisiert sind und die durch elektrochemische Vorgänge miteinander und mit dem Gehirn in Wechselwirkung treten. Die Rezeptoren dieser Organe informieren dabei weniger über die Zustände als vielmehr über die Veränderungen im Wahrnehmungsraum.

Die stärksten Raum-Wahrnehmungen liefern die Augen. Der Augenblick wird erfaßt durch die Erzeugung divergierender Bilder entfernter Gegenstände auf der Netzhaut. Dadurch erscheint die Umwelt in einem gewissen Abstand, d.h. von uns gelöst und verhältnismäßig affektfrei. Durch diese Loslösung wird der Vergleich von verschiedenen Wahrnehmungsbildern möglich, und wir können vielleicht gerade diesen Vorgang als die sinnliche Grundlage des Symboldenkens verstehen. Besonders die Gestaltpsychologie hat nachgewiesen, daß schon in den elementarsten Sehvorgängen spontane Idealisierungen liegen. So ordnen zum Beispiel die Augen ihr Bildmaterial ohne "Überlegung" im Sinne der euklidischen Geometrie, indem sie nach Edwin Rausch Parallelität, Rechtwinkligkeit und gleichmäßige Ebenbreite anderen Gestaltmerkamalen gegenüber bevorzugen. Aber auch nicht-euklidische "Idealiserungen" finden statt, ohne daß wir uns bewußt darauf einrichten, etwa solche nach den Gesetzen der Geschlossenheit, der Bevorzugung der Innenseite u.a.m. ... Beim spontanen Wahrnehmen von Gestalten setzt sich ständig etwas wie theoretisches Anschauen durch 7).

Dabei scheint es, als könnten die Augen Eindrücke anderer Sinne mitaufnehmen und speichern: so lassen Erinnerungsbilder Merkmale der Brauchbarkeit miterscheinen, auch andere sinnliche Qualitäten wie z.B. die Stofflichkeit (Glätte, Kälte, Schwergefühl oder Weichheit der Oberfläche). Dabei wird das Auge als leztes Organ nach der Geburt funktionsfähig, während der Embryo schon im 5. - 6. Monat der Schwangerschaft die Herztöne der Mutter HÖRT.

So versetzen uns die Ohren lebenslänglich in Innenräume des Hörens, denen wir uns nicht leicht entziehen können und die ständig unser Gefühl mitgestalten.

Während die Bedeutung der "Fernsinne" Auge und Ohr kulturell verstärkt wird, scheint die der "Nahsinne" immer weiter zurückzutreten. Und damit ist wohl eine fortschreitende Ausklammerung der spontanen Gefühle aus den Wahrnehmungsempfindungen verbunden, die zu einer Art Verödung unseres Erlebnisraums führt 8).

Mit dem Mund zum Beispiel nehmen wir neben den groben Unterscheidungen im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme nicht mehr viele Welt-Nuancen wahr. Und es erstaunt uns, wenn wir hören, die Wort-Bedeutung von sapor - sapere- sapientia meine gleichzeitig Weise-Sein - Weisheit und Schmecken - Geschmack! Die Tiefe der Erfahrungen aus dem Mund-Raum wird auch deutlich, wenn die psychosomatische Medizin sogenannte "orale Fixierungen" (Trunksucht, Freßsucht, Rauchen etc.) als eine Art atavistisches Begehren nach Weltbegegnung und vielleicht als Ersatz für verlorene Kommunikationsmöglichkeiten (für Liebe) erklärt.

Vom Riechen wissen wir, daß es die tiefste sinnliche Grundlage für Sympathie und Antipathie, für Liebe und Haß ist. (Auch die Sprache verrät: "Ich kann ihn nicht riechen!"). Aber andererseits bleibt es erstaunlich, daß Beschreibungen und Klassifizierungen von Gerüchen schwierig, ja oft unmöglich sind und sich oft in allegorischen Andeutungen verlieren. Wird die Nase als Erlebnisquell überhaupt kulturell entwickelt? Dieser Sinnenbereich scheint in der Wort-Kultur keine besondere Bedeutung zu gewinnen.

Die persönlchsten Erfahrungen, die intimsten Botschaften allerdings gibt uns der Hautsinn, der auf unserer ganzen Körperoberfläche verteilt ist - wenn auch nicht mit der gleichen Dichte der Rezeptoren. James J. Gibsons hält die Unterscheidung von passivem und aktivem Fühlen für sinnvoll, wobei das aktive Fühlen kulturell vernachlässigt sei 9). Die Haut macht Erfahrungen verschiedenster Art: kinaesthetische, indem sie Muskel-Erregungen wachruft, Temperatur-Erfahrungen, die bei vielen Krankheiten und Gemütserregungen spontan als Zeichen verstanden werden, Druck-/Schmerz-Erfahrungen, von denen wir leider wissenschaftlich kaum etwas wissen.

Das Raum-Erlebnis in der Architektur hängt ganz besonders vom Tasten und Gehen, vom Berühren und Bewegen unserer Glieder ab - auch wenn wir gelernt haben, auf vielerlei primäre, konkrete Erfahrungen zu verzichten und uns mit dem bloßen "Anblick" zufrieden geben. Vielleicht ist das Gewaltigste und Unersetzlichste dabei die Orientierung unseres Körpers zur Erde, der Gleichgewichtssinn und das sinnliche Bewußtsein vom Hier und Jetzt.

Sigmund Freud war der Meinung, es wirkten im Körper noch andere Sinnesfähigkeiten, die beim Menschen "kulturell verschüttet" seien, die aber bei Tieren in spezifischen Lebenssituationen genutzt und ausgebildet würden (Richtungssinne und dergl.) 10).

Wenn die Aktionen der Sinnesorgane auch beim Prozess der Zivilisation mehr und mehr durch Instrumente und Geräte entlastet und ersetzt werden - ein Entziehungsvorgang, an dem auch die Architektur als Brems- und Filtermechanismus stark beteiligt ist -, so müssen wir diesen Vorgang sowohl als eine zukunftssreiche, positive Entwicklung, als auch als eine negative, verhängnisvolle Veränderung verstehen lernen. Positiv ist die unglaubliche Ausweitung der Informations- und Arbeitsmöglichkeiten durch Technik als "erweiterter Körper". Bedenklich, ja verhängnisvoll ist die damit verbundene Loslösung vom unmittelbaren sinnlichen Erleben, von spontanen körperlichen Reaktionen und die sinnliche und gefühlsmäßige Entfernung von der Welt der materialen Dinge, die uns umgeben. Der Prozess der zunehmenenden Entfremdung im sinnlichen Erlebnisraum wird nicht nur dadurch ausgelöst, daß wir so viele und mächtige Hilfen bei der Reizaufnahme einsetzen, sondern besonders auch dadurch, daß die Gesellschaft die einzelnen Erlebnis-Ichs bei den Vorgängen der Verarbeitung dieser Reize mehr und mehr vertritt und ersetzt. Spezifische Teile unseres Gehirns wählen ständig aus dem Schatz der sinnlichen Informationen aus, speichern bestimmte wertvolle Mengen, die sie im Hinblick auf vielerlei innere, subjektive und äußere, kulturelle Faktoren bewerten. Regelnde und hemmende Gehirnteile übernehmen dabei die Aufgabe, Impulse aus anderen Hirnteilen zu verarbeiten.

So werden die primären Erfahrungen beim Raumerlebnis z.B. stufenweise mit ideellen Strukturen (Symbolen) durchsetzt. Das spontane sinnliche "Haben" des Umraums wird mehr und mehr durch den Einsatz zivilisatorischer Werkzeuge - vor allem durch Technik und Sprache - abgelöst. Über diese Mittel aber verfügen die gesellschaftlichen Institutionen weit mehr als der Einzelne. Und wer sich nicht fügt in den Ersatz seiner Sinne, wer sich nicht zurückhält im Ausleben seines Körpers, der wird bestraft. Dennoch müssen wir uns deutlich machen, daß die Institutionen (Verwaltungen, Parteien, Kirchen, Wissenschaft, etc.) das Allereinfachste, Elementarste nicht ersetzen können: die Wahrnehmung, die sinnliche Grundlage des Erlebnisraumes!

 

3. Die Domestizierung des menschlichen Leibes

Mit Domestizierung oder Domestikation ist die Erziehung des menschlichen Leibes vom Naturzustand (den es sicher nie gab, solange "Menschen" sind) zu den höheren Formen der Zivilisation gemeint.

Wir können annehmen, daß die biologischen Empfindungen und Aktionsfähigkeiten bei allen Menschen annähernd gleich angelegt sind. Wir müssen aber davon ausgehen, daß diese Fähigkeiten zur Funktionstüchtigkeit entwickelt werden müssen und daß diese "kulturellen" Entwicklungen sich räumlich und historisch sehr verschiedenartig abgespielt haben. Dennoch gibt es nach verschiedenen Lehrmeinungen bei allen Kulturen einen Prozess der ständig sich steigernden Domestikation. Die Geschichte der Kulturen scheint eine Geschichte der Distanzierung von den triebhaften Neigungen und Fähigkeiten der Sinne zu sein. Die Menschen werden mehr und mehr aus der spontanen sinnlichen Erlebniswelt in sinnreiche "Zwischenwelten" herübergezogen, die auf verschiedene Weise symbolisch zu verstehen sind und sich immer mächtiger zwischen den Körper und die Welt der Dinge schieben.

Die mächtigsten Zwischenwelten sind die der Sprache und die der Technik. Sprache kann komplexe Phänomene nicht "simultan" zum Bewußtsein bringen - wie die Sinne - sie muß vielmehr differenzieren und nacheinander ordnen. So sorgt sie für die Auftrennung des Erlebnis-Ganzen. Das Begreifen der Sprache "begreift" eben NICHT mehr. Sprache zielt auf gemeinsame Welt, sie macht Kommunikation möglich, schafft aber zugleich Abstand vom einmal Erlebten. Man könnte sagen, sie schützt uns vor der Überwältigung durch die Sinne. Man muß aber auch sagen, sie verbirgt das Konkreteste der Wahrnehmungswelt, den spontanen Kontakt. Außerdem sorgt die Technik mit dem Einsatz von Werkzeugen und Geräten für die fortschreitende Entfernung von den Dingen, obgleich sie bestimmte Leistungen unseres Körpers so enorm steigert. Durch Autos, Flugzeuge etc. "gehen" wir erheblich schneller, aber unsere Füße berühren seit langer Zeit eigentlich den Boden nicht mehr. Mit den Fähigkeiten der Technik gehen Tabuisierungen der direkten Körperaktionen einher: wir dürfen unsere Speisen kaum noch berühren, dürfen die Eigenschaften unserer Haut (Farbe, Temparatur, Geruch etc.) bei Gefühlsveränderungen kaum noch zu erkennen geben. So ist unsere Scheu entstanden, einen Menschen, die Erde oder die Dinge direkt zu berühren ...

Konrad Lorenz
macht darauf aufmerksam, daß die zivilisatorischen Lebensbedingungen der Menschen mehr und mehr denen der Haustiere ähneln: Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Abschirmung von Sonne, Licht und Luft erzeugten einen Verlust an Muskel-Tonus. Dabei zeigen sich sozial unscharfe Reaktionen: weniger wählerisches Verhalten, aber leichter enthemmbare Triebaktionen 11).

Arnold Gehlen
stellt nun heraus, daß gerade die organische Schwäche des Menschen - vergleicht man seine dürftigen sinnlichen Leistungen mit denen vieler Tiere - die kulturellen Mittel gerade hervorgebracht haben. Herder habe den Menschen schon als ein Mängelwesen gesehen, gerade darin liege seine - des Menschen - Chance zum Prometheus! In der Veränderung der Natur - auch seiner eigenen körperlichen Natur - liege die kulturelle Chance des Menschen, der ja ständig über sich hinauswachse 12).

Norbert Elias
hat versucht, aus vielen Einzelbeobachtungen von alltäglichen Verhaltenssituationen die allgemeine Tendenz zu beschreiben, nach der sich die Einstellung zum Körper vom Mittelalter bis heute geändert hat 13). Er hält diese "Verschiebung der Verhaltensstandards" (d.h. die Gewohnheit, sich in bestimmten Situationen so und so zu verhalten) für den eigentlichen Prozess der Zivilisierung. In jeder historischen Phase versuche die Gesellschaft neu, das Triebleben des Körpers einerseits und die gesellschaftlichen Formen (d.h. die Tabus) andererseits gegeneinander auszupendeln. Die Gesellschaft zwinge dabei den Einzelnen durch Restriktionen, Nicht-Beachtung, Strafen usw., sich immer höher angesetzten "Scham- oder Peinlichtkeitsgrenzen" zu fügen. Die Angst vor ihrer Übertretung - also eine soziogene Angst - sei das Kernproblem der Zivilisation. Elias beobachtet, daß man früher den körperlichen Trieben offener und spontaner nachgeben durfte. Die Affekte waren ungebundener, ungeregelter und stärker schwankend zwischen den Extremen: Lust schlug in Angst um und Angst in Lust. Die Zivilisation habe immer stärkere Brems- und Filter-Mechanismen eingeführt und blockiere damit die spontanen Erlebnismöglichkeiten. So würde in den Kindern ständig der jeweilige Standard des Peinlichkeitsempfindens der Erwachsenen reproduziert, und der entsprechende Umbau des seelischen Gefüges werde durch Strafen gesellschaftlich erzwungen. Es scheint dabei eine Tendenz zu geben, die "intime" Sphäre, die lustversprechend, stärker triebbestimmt und heimlich ist, immer stärker zu trennen von der "öffentlichen" Sphäre, die erlaubt, kulturell überformt und voller Tabus ist, was das Ausleben der Triebe und der Gefühle betrifft. Und: immer mehr Sehnsüchte der Triebe werden aus der körperlichen Aktion ins bloße Zuschauen und Zuhören verlagert. Das sinnliche Erleben schrumpft dabei auf die Fernsinne Auge und Ohr, die "stellvertretend" eingesetzt werden.

Edward T. Hall
geht in seinen "Proxemik"-Forschungen auf die Raumbedürfnisse bei typischen Verhaltenssituationen in verschiedenen Kulturlandschaften unserer Zeit ein 14). Welche Körperabstände erlauben, fördern oder behindern bestimmte Aktivitäten des Körpers: intimes oder geschäftliches Gespräch, Atemgeruch, Blickkontakt usw. bei Engängern der Mittelklasse, bei Arabern, Japanern und anderen "Völkergruppen? Trotz der kulturbedingten Verschiedenheiten glaubt Hall, vier Arten bedeutungsvoller Distanzen unterscheiden zu können: intime, persönliche, soziale und öffentliche. In typischen Verhaltenssituationen berücksichtigt man maximale und minimale Abstände, bei deren Über- oder Unterschreitung bestimmte Schutzhaltungen als notwendig empfunden werden. Muß man zum Beispiel einem Fremden in einem Fahrstuhl in "intimer" Distanz gegenüberstehen, so versucht man etwa durch Reglosigkeit (d.h. möglichst niedere Haut-Temperatur), Blick-in-die-Ferne etc. die Intimität der räumlichen Situation aufzuheben oder wenigstens zu entschärfen. An solchen Beispielen wird deutlich, wie das triebhafte Verhalten unseres Körpers durch bestimmte gesellschaftliche Normen gefiltert, gebremst und eingefärbt wird.

Welche Rolle spielt nun bei der Auspendelung von Triebhaushalt und Zivilisierung unseres Körpers die Architektur?

 

4. Architektur und menschlicher Körper

Zunächst muß der gebaute Raum dem menschlichen Körper helfen, auf dem heutigen Zivilisationsstandard organisch zu bestehen. Er muß Licht, Feuchte, Wärme, Bewegungsraum etc. zur Verfügung stellen, zugleich aber vor Sonne, Wind, Staub, Lärm etc. schützen. Jedermann erwartet von gebauten Räumen sehr präzise die Erfüllung solcher primären Aufgaben.

Aber seit Jahrtausenden leistet die Architektur dem Menschen eine zweite Art von Hilfe: sie erleichtert die Suche nach seinem Selbst! Eine uralate Sehnsucht läßt die Menschen in der Unruhe des Lebens immer wieder nach ihrer Identität fragen. Bei den Vorgängen der Selbstdarstellung oder der Selbstsuche spielen die gebauten Räume eine unersetzliche Rolle.

Die Naturwelt ist durch ständigen Wechsel charakterisiert. Alles ist jeden Augenblick anders. Zwar hilft die Natur durch Wiederkehr-Phänomene (Tag/Nacht-Rhythmus, Jahreszeiten, Pulsschlag, Menstruations-Zyklus etc.), Ordnung im ständigen Wechsel zu erkennen. Menschen brauchen aber mehr Ordnung, mehr Sicherheit, stärkere Identitäten, auf die sie ihr Ich beziehen können. Solche Marken der Identität oder Symbole der Beständigkeit sind u.a. die gebauten Dinge. Menschen brauchen im Wechsel der Ereignisse beständige Ort, Orte der Wiederkehr. Charles Moore spricht von "Architektur für den einprägsamen Ort" 15). Diesen Ansatz halte ich für einen der wichtigsten Beiträge zu einer Architektur-Theorie unserer Zeit.

Bei dem nie endenden Versuch der Selbst- oder Welt-Darstellung durch Bauen gibt es meines Erachtens zwei gleichgewichtige Denkmodelle: entweder wir helfen bei der Suche nach der Selbst-Identität durch die erweiterte, abbildhafte Darstellung des Körperraumes, - oder wir erzeugen ein möglichst konstantes dingliches Gegenüber mit Betonung der Grundformen der Geometrie. Das sind die beiden stärksten Gestalt-Thesen, die uns helfen, beim Bauen unser Selbst zu finden. Entweder wir versuchen die Darstellung des erweiterten Körpers, indem wir uns in den Gestalten der Architektur (selbstverständlich meist unbewußt) wiedererkennen, - oder wir wählen die abstrakteste Form, die Menschen erfunden haben, um die Konstanz des Kosmos zu symbolisieren: das Quadrat, den Kreis, die Geometrie, die nichts abbildet.

Es gibt eine Fülle von Entwurfsmodellen und Arbeitsbeispielen, die den ersten Weg nehmen (das angedeutete Abbild). Dahin gehören die immer wieder neu formulierten Vorschläge, typische Maße, Maßverhältnisse und Proportionen des menschlichen Körpers auf gebaute Dinge anzuwenden. Dabei sollten wir bemerken, daß von Vitruv 16) bis Le Corbusier 17) sowohl solche Maße und Proportionen als Werkstruktur benutzt wurden, die "objektiv" und Kultur-unabhängig sind (z.B. das Oktav-Verhältnis 1:2 beim Monochord des Pythagoras oder das Quadrat aus Körperhöhe und Körperbreite mit ausgebreiteten Armen) als auch solche, die Kultur-abhängig sind und zu verschiedenen Zeiten immer wieder anders bewertet wurden. Ein Grundriß kann stark "stabilisiert" werden durch ausgeprägtes Vorn und Hinten, Rechts und Links sowie durch eine Mittelachse - auch wenn alles das nur angedeutet ist. In einer Fassade wird die Bekrönung, das Dach als Kopf "gelesen", der Sockel als Fuß. Gesimse sind wichtige "Körper-Horizonte" und markieren die Gliederhaftigkeit im Oben- und Unten-Verhältnis, das das Stehen auf der Erde ordnet. Sogar in den wichtigen Details erkennen wir ohne Nachdenken Körpermerkmale wieder. Ich denke an Eingang und Ausgang, inneren Kern und äußere Haut, Schwellen, Filter und Schleusen, tragendes Gerüst und eingebettete Weichteile, an die Verteilung der Steuerungsorgane, an die Nicht-Umkehrbarkeit der Erlebniswege ... Fritz Schumacher meint, es wäre sinnvoll, typologisch "Skelett-Architektur" und "Muskel-Architektur" zu unterscheiden. 18) Ich selbst habe versucht, bestimmte Bauteile wie Organe und Oberflächen wie Haut auszubilden, die altert 19). Man kann davon träumen, Baukörper wie Körper spürbar zu machen, Räume wie Körperräume, sinnlich intensiv erlebbar: Architektur zum Sehen, Hören, Tasten, Riechen, "Architektur für die sinnliche Phantasie"! Durch die Entfaltung der Gehwege müßte die Architektur dem Tanz näherkommen, die Fußböden müßten den Füßen ein Angebot machen, die Folge der Räume unserer Sehnsucht nach Wechsel. Bestimmte Reize (z.B. der Reiz der Berührung) lassen Erotisches in der Architektur spürbar werden. Unser Gefühl für "Schönheit" braucht einen gewissen Überfluß der sinnlichen Angebote ... Seit Jahren versucht Hugo Kükelhaus, die Notwendigkeit einer entsprechenden sinnlichen Bildung und Ausbildung bei Designern, Lehrern und Architekten deutlich zu machen 20). Was uns in der gebauten Umwelt täglich begegnet, ist leider das Gegenteil von sinnlicher Kultur: Langeweile, Öde und Anonymität.

Die andere großartige Möglichkeit, Ich-Konstanz in der Architektur darzustellen, ist die Arbeit mit den großen geometrischen Symbolen und einfachen ganzen Zahlen. Seit Jahrtausenden versuchen Menschen, "Welt-Ruhe" durch ständige Wiederholung des Gleichen darzustellen indem sie beharrlich auf die Grundformen der Geometrie (Quadrat und Kreis) sowie das Prinzip der Reihung zurückkommen. Solche Gestaltung meint geistige Distanz. Sie will Unabhängigkeit vom Wechsel, von der Natur. Sie setzt sich von der spontanen Erlebniswelt des Körpers ab, neigt zur großen symbolischen Geste, aber auch zu Maßlosigkeit. Walter Gropius wollte in Berlin 1961 kreisrunde Plätze von 200 m Durchmesser bauen, Leon Krier schlägt würfelformige Wohnhäuser vor mit einer Kantenlänge von 10, 12 oder 15 Metern.

Wahrscheinlich ist die wichtigste Gestaltfrage in der Architektur nicht die, ob wir eine abbildhaft-körpersprachliche Architektur, eine abstrakt-rationale oder irgendeine anders geformte entwerfen sollen. Vielmehr müssen wir einen architektonischen Ausdruck finden für die Dialektik unseres Erlebnisraumes, der einerseits triebhaft-organisch UND andererseits zivilisiert rational ist. Wir haben von den Ethnologen und Psychosomatikern, den Anthropologen und Philosophen gelernt, daß Triebwelt und Kultur, intimes und öffentliches Leben auf jeder sozialen Entwicklungsstufe in gegenseitige Spannung gebracht und neu ausbalanciert werden müssen. Der Architekturraum müßte die Bühne dieser Gegenüberstellung sein! Es geht also um die Frage der angemessenen Zuordnung bestimmter Gestalt-Strukturen zu bestimmten Strukturen des Lebens.

So könnten die Fragen, die das Seminar aufwirft, möglicherweise heißen:

  • Bei welchen Bauaufgaben sollten die beiden grundlegenden Gestaltungstendenzen vorherrschen? Welche soll wann überwiegen oder fehlen?
  • ist das Gestalt-Prinzip "Ebenbildlichkeit" (Versinnlichung der Architektur, Architektur als Tanz, erotische Architektur etc.) den intimen/privaten Bereichen eher angemessen? Trifft das Gestalt-Prinzip "Abstraktion/Verfremdung" (Entsinnlichung, Geometrisierung, Zahlensymbolik etc.) eher die öffentlichen Bereiche?
  • Brauchen wir "Oasen der Sinnlichkeit" - bei der allgemeinen Übermacht der technoiden Strukturen?
  • Müßte neben Erziehung der Architekten zur Rationalisierung, zur Wissenschaftlichkeit, zur Interpretation der sozialen Normen eine Erziehung zur Sinnlichkeit, zur Spontaneität, zur Emanzipation der Körpers treten?

 

Anmerkungen

  1. Empedokles, Über die Natur, in Die Anfänge der Abendländischen Philosophie, Artemis, 49, S. 89 ff.
  2. Demokritos, Fragmente in Die Anfänge der Abendländischen Philosophie, S. 147 ff.
  3. Leonardo da Vinci, Tagebücher und Aufzeichnungen, List-Verlag Leipzig, 1940, S. 3 ff.
  4. Carl Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien, Verl. Knaur Berlin 1928, S. 423 ff
  5. Georg W.F. Hegel, Ästhetik, Frankf.a.M. 1955, Bd. 1, S. 48 f.
  6. Über Descartes, Diderot, Hume: Vergl. Bloomer u. Moore, Architektur für den "einprägsamen Ort", dva 1980, S. 40 ff. Kröner, Philosophisches Wörterbuch, 1978, S. 284, S. 112.
  7. Wolfgang Meisenheimer, Der Raum der Architektur, Diss., Aachen 1964, S. 204 ff.
  8. Marielene Putscher, Das Gefühl: Sinnengebrauch und Geschichte, in Die fünf Sinne, Beiträge zu einer medizinischen Psychologie, Moos-Verl. 1978, S. 156.
  9. Gibsons, James J., Observations on active touch, in Psychological Review, Vol. 69, No. 6, S. 477 ff.
  10. Theodor Reik, Hören mit dem dritten Ohr, Hamb. 1976, zitiert in Die fünf Sinne, s.o., S. 197.
  11. Konrad Lorenz, Über tierisches und menschliches Verhalten, 1942.
  12. Arnold Gehlen, Anthropologische Forschung, Rowohlt, 1961, S. 46 ff.
  13. Norbert Elias, Über den Prozess der Zivilisation, Francke Verl. 69, 1. Bd., S. 262 ff.
  14. Catalog Card Nr. 66-11173, 1966, S. 107 ff.
  15. Kent C. Bloomer und Carles W. Moore, Architektur für den "einprägsamen Ort", DVA 1980.
  16. Vitruvius in Langenscheidtsche Bibliothek, Berlin 1855-1902, 110. Bd., S. 13 und S. 73 f.
  17. Le Corbusier, Der Modulor, Cotta 1953.
  18. Fritz Schumacher, Der Geist der Baukunst, Wasmuth 1956, S. 209.
  19. Wolfgang Meisenheimer, Gebaute Dinge, Figuren, 1979, (Hg. Anker-Werke Düren).
  20. u.a. Hugo Kükelhaus, Unmenschliche Architektur, Gaia, Köln 1973.